25 Jahre Tech-Riese Google — Von zwei Mathe-Geeks zum Werberiesen

Am 27. September 2023 schaltete Google ihr Geburri-Doodle auf, komplett mit einem Konfetti-Button. Wer den Tag verpasste, kann auch heute noch Konfetti regnen lassen: einfach «google happy birthday» im Suchfenster auf Google eingeben. Der Button befindet sich am unteren Rand des Browserfensters.

Medien waren bereits vor dem offiziellen 25. Geburtstag voll von Geschichtslektionen zu Google. Viele Zeilen über die Studenten Sergey Brin und Larry Page, die sich 1995 an der Stanford University in Kalifornien trafen, und wie aus einem Forschungsprojekt die Idee von Google entstand.

Auch dass die Mathe-Geeks enorm grosse Zahlen lieben, wie «Googol», 1 x 10 hoch 100. Solche Zahlen werden heute nur in der Mathematik oder Astrophysik benutzt. Es wird geschätzt, dass in etwa 10 hoch 97 Elementarpartikel (aus denen Atome bestehen) ohne Dunkle Materie einberechnet in unserem Universum vorhanden sind.

Von «Googol» kommt auch der Name Google: er soll ganz einfach ein Schreibfehler gewesen sein.

Das Forschungspapier, dass die beiden schrieben, kann man heute immer noch komplett online lesen. Es verfügt über den herrlich wissenschaftlichen Titel «The Anatomy of a Large-Scale Hypertextual Web Search Engine». Man kann durchaus sagen, es beschreibt den Grundstein für Googles Suchmaschine.

Weiter berichten Medien, wie Google seit Jahr 2000 sagenhafte Gewinne mit Werbung fährt, die direkt mit Suchbegriffen verknüpft sind. Das Konzept ist zwar keine Erfindung von Google, wurde jedoch von Google perfektioniert. Den Internet-Crash 2000, 2001 überstand Google ohne Schwierigkeiten, während Konkurrenten wie z.B. Excite, an den übrigens Google mal für eine Million verkauft werden sollte, pleitegingen.

Zu schnell, zu gross, zu gierig: Ist Google ein Monopolist?

Irgendwo in der fast exponentiellen Expansion von Google touchierte die Firma die Schranken des Kartellrechts, aber auch den Schutz der Privatsphäre der Nutzer. Zuerst klagte die EU zu diversen Punkten, vor allem Datenschutz, wobei es aktuell im Oktober eine Einigung beider Parteien gab.

Das Schweizer Online-Magazin «Republik» zeichnet in einer zehnteiligen Serie mit dem Titel «Do not feed the Google — Wie der Google-Konzern zur Bedrohung für die Demokratie wurde – und die Schweiz zu seinem wichtigsten Standort ausserhalb des Silicon Valley» den Aufstieg der Firma nach.

Wir zitieren aus Folge 2 «Vom ungehinderten Aufstieg zum Monopol»:

«Der grösste Zaubertrick, den Google bis heute abgezogen hat», sagt Cory Doctorow, «ist, dass sie uns davon überzeugt haben, dass sie Wunderkinder sind, eine Art Zauberer von Oz. Dabei sind sie doch etwas ganz anderes.» Doctorow ist Science-Fiction-Bestsellerautor aus Los Angeles, Berater der Electronic Frontier Foundation und Professor der Computer­wissenschaften in England.

«Für die Verfahren, Klagen, die diversen Urteile, Rekordstrafen wegen Verstössen unter anderem gegen das Kartellrecht, dafür gibt es tatsächlich ein Wort. Aber dieses Wort ist nicht Zauberei», sagt Doctorow. «Das Wort dafür lautet Falschspielerei.»

Grösstes Kartellverfahren in den USA seit 25 Jahren: Und gerade Google trifft es

Im September startete das lange erwartete Kartellverfahren gegen Google in den USA. Es ist das erste Verfahren in der Grössenordnung dort seit 25 Jahren. «Die Zeit» in Deutschland erklärt umfassend in einem Wort, worum es geht: Wettbewerbsbehinderung.

Für eine Übersicht des Verfahrens in Deutsch empfehlen wir den Bericht der Zeit mit dem Titel «Suchen und schinden».

Bekanntlich erreicht Google bei der Suche im Internet einen sagenhaften Marktanteil über 90 %. Das amerikanische Justizministerium beschuldigt Google, diese Marktmacht nicht mit rechtskonformen Mitteln erreicht zu haben. Der Suchkonzern soll – ähnlich wie das früher mal mit dem Browser von Microsoft, dem legendären «Internet Explorer», ablief – Herstellern von Geräten, vor allem Smartphones, Milliardenbeträge für die Vorinstallation ihrer Suchmaschine bezahlt haben.

Von der Anklageseite wurde berechnet, dass Geräteanbieter, z.B. auch Apple, jährlich etwa 10 Milliarden von Google kassieren, damit die Google Suche auf den Geräten vorinstalliert wird, direkt oder über die Webbrowser auf den Geräten.

Weiter soll Google Exklusivverträge mit Handy-Firmen wie Apple und Samsung, aber auch den Mobilanbietern wie T-Mobile und AT&T abgeschlossen haben, die Mitbewerbern kaum eine Chance liessen.

Der Prozess ist voll auf Touren. Google versucht verständlicherweise, so viele Einzelheiten wie möglich geheim zu halten, damit vertrauliche Interna nur hinter verschlossenen Türen herauskommen und diskutiert werden.

Das Magazin «Wired» widmet dem Thema einige Berichte, z.B. «Meet the Law Geeks Exposing Google’s Secretive Antitrust Trial».

Wir sind gespannt, wie alle Beobachter, die mit Internet-Suche direkt oder indirekt geschäftlich zu tun haben, was am Schluss rauskommt.

Die Auswirkungen für die Marketingbranche im Ökosystem Google

Die Research-Firma «Insider Intelligence» in den USA versucht für die Marketingbranche, die Suchmarketing, also Werbung auf Googles Suchplattform betreibt, herauszufinden, was die Folgen des Prozesses sein könnten. Sie berichtet darüber auf ihrem Blog mit dem Titel «What marketers need to know about the Google Search antitrust trial».

Es geht unter anderem um viel Geld. 2023 sollen die Werbeeinnahmen aus Google Suche in den USA 57,49 Milliarden US-Dollar betragen, was 52.2 % der gesamten Werbeausgaben in Internetsuche entspricht. Ja, hier zeigt sich, dass Google bereits Konkurrenz hat. Amazon wird einen Anteil von 21.7 % an diesem Werbekuchen haben, abgeschlagen dahinter Microsoft mit 5.3 % und Apple mit 4.7 %.

Google hat mehr verlässliche Daten über Konsumentenverhalten als alle ihre Mitbewerber. Der Such-und Werbekonzern hat auch zugegeben, dass er die Preise für Werbung erhöht habe, um mehr Einnahmen aus dem lukrativen Werbegeschäft in die Kassen zu spülen.

Google behauptet gemäss «Insider Intelligence», dass die Firma das Suchwerbegeschäft dominiere, weil ihr Produkt einfach so gut sein, also dass Menschen Google Suche und andere Google-Dienste nutzen, weil es einfach die besten am Markt seien. Aber stimmt das überhaupt?

Eine Analystin von «Insider Intelligence» im verlinkten Bericht oben scheint sich nicht sicher zu sein. Sie meint, würde Google so viel Geld für einen voreingestellten Status bezahlen, wenn Nutzer sowieso ihre alternativlose Suchmaschine wählen würden?

Wir werden auf diesen Punkt zurückkommen.

Mögliche Prozessfolgen für Google: Drei Szenarien

  • Google könnte in kleinere Firmen zerschlagen werden: Sicher totaler Horror für Google, aber eher unwahrscheinlich;
  • Google könnte gezwungen werden, ihre angesammelten Nutzerdaten mit anderen Suchmaschinen zu teilen. Das ist durchaus möglich, aber solange Google die voreingestellte Suchmaschine auf vielen Geräten bleibt, ändert sich wohl an der Wettbewerbssituation kaum etwas;
  • Das dritte Szenario ist wohl das Logischste und wahrscheinlich auch das, worauf das US-Justice Departement abzielt: Google dürfte nicht mehr solche exklusive Voreinstellungsdeals vereinbaren können. Wenn Apple und andere Konkurrenten nicht mehr Geld von Google erhalten, könnten sie möglicherweise Interesse haben, eigene Suchmaschinen zu entwickeln, oder mindestens auf andere wechseln (mit oder ohne Voreinstellungsdeals).

Anfangs Oktober berichtete Reuters, dass Apple die Möglichkeit studiere, auf ihren Safari-Browsern (vor allem auf dem iPhone) von Google auf die auf Schutz der Privatsphäre spezialisierte Suchmaschine DuckDuckGo zu wechseln. Man wird sehen.

Wir finden, dass Bing, die Suchmaschine von Microsoft, die ganz brauchbare Suchresultate liefert, wohl am ehesten von diesem Szenario profitieren könnte. Man muss jedoch immer Hinterkopf behalten, dass Microsoft auch eine illustre Geschichte mit Monopolismus hinter sich hat.

Egal wie der Antitrust-Prozess ausgeht: Was ist Google eigentlich: eine Werbe- oder Techfirma? Und wird Google Suche immer schlechter?

Selbstverständlich hat Google Technologie im Einsatz. Aber die hauptsächliche Einnahmequelle bleibt Werbung (dafür wurde auch viel Technologie eingekauft, z.B. die Werbefirma DoubleClick). 2022 nahm Google (bzw. Alphabet Inc., das Mutterhaus) insgesamt 279,81 Milliarden US-Dollar ein, davon stammten 162.45 Milliarden US-Dollar aus Werbung. Also über 58 %.

Egal was Google sonst noch macht, es ist klar eine Werbefirma. Ohne Werbeeinnahmen gäbe es Google in der aktuellen Grösse nicht.

Es gibt seit einigen Jahren Hinweise, dass Googles Suche immer schlechter wird. Sogar die ehemalige Mitarbeiterin Nummer 20 bei Google Marissa Mayer wird von «searchenginejournal.com» aus einem «Freakonomics» Podcast zitiert, Google sei nur ein «Fenster ins Internet», das Internet sei schlechter geworden:

Ich denke, weil es viele wirtschaftliche Anreize für Fehlinformationen, für Klicks und für Käufe gibt.

Heutzutage gibt es viel mehr Betrug im Internet als vor 20 Jahren.

Und ich denke, dass das Internet aufgrund der geringeren Regulierung und seiner Internationalität genauso schnell wachsen und sich weiterentwickeln konnte.

Aber wir müssen auch die Kehrseite davon in Kauf nehmen.

In einem relativ unregulierten Bereich wird es, wie Sie wissen, wirtschaftliche Fehlanreize geben, die manchmal die Qualität beeinträchtigen können.

«Searchenginejournal.com» bezweifelt gewisse Punkte von Marissa Mayer und stellt am Schluss ihres Berichts die berechtigte Frage: Ist die Google Suche schlechter, weil die heutigen Websites schlechter sind, oder liegt das Problem bei Google selber, aber Google kann es einfach nicht sehen?

Andere Blogger sagen, dass einfach Suchmaschinenoptimierung mit Link-Building und perfektem Anbringen der Keywords (also der Suchbegriffe) so sehr perfektioniert wurde, dass Google mit dem Verbessern der Suchalgorithmen nicht nachkommt und so ein Ausnutzen und Manipulieren der Suche nicht schnell genug verhindern kann. Wir vermuten, das mit dem Aufkommen von KI gerade beim Erstellen von Inhalten, Google auch weiter Probleme haben wird, qualitativen guten Inhalt von Inhalten nur für das bestmögliche Ranking in der Suche zu unterscheiden. Das führt auch weiterhin dazu, dass Nutzer viele Einträge auf der ersten Seite der Suchresultate ganz genau auf Echtheit prüfen müssen. Es könnte sich teilweise bloss um Suchmaschinen-Spam handeln.

Die bekannte Technologie-News-Website «The Verge» schreibt bereits vom Ende des Googleversums in einem viel beachteten Artikel mit dem Titel «The end of the Googleverse».

«The Verge» stellt in Frage, ob Google in Zukunft noch kulturell relevant sein wird. Der Artikel kommt zum Schluss, der Suchriese habe es verpasst, ein offenes Web für alle zu machen, und dass es jetzt eher nur noch ein eine Art Shoppingmall mit zwielichtigen Geschäften sei.

Kommentare von Leuten, die selbst in der Internetwerbe- und SEO-Szene arbeiten, auf der amüsanten techlastigen Diskussionsseite fark.com (stammt aus 1999) erläutern die Ursache bei Googles Problemen mit Suchresultaten ungeschminkt:

Dieser Artikel ist völlig durchgeknallt und verfehlt völlig das Ziel. Es sind nicht SEO und KI, die die Google-Suche zerstören. Google hat das ganz allein gemacht. Die Google-Suche hat vor einigen Jahren die Rangfolge der Seiten geändert, um Trend- und Social-Media-Inhalte zu bevorzugen und die Werbeeinnahmen zu steigern. Die Google-Suche versucht nun, dich zu Websites innerhalb ihres Werbenetzwerks weiterzuleiten.

Google weiss, dass die Websites, die in den Ergebnissen angezeigt werden, Müll sind. Dabei handelt es sich nicht darum, dass ein Haufen cleverer SEO-Hacker die Google-Suche ruiniert, während Google machtlos ist, sie zu stoppen. Ich mache unter anderem Webentwicklung und vertraue mir, sie wissen es. Es ist beabsichtigt. Deshalb geht es stetig bergab.

Google ist nur ein Ad-Tech-Unternehmen. Das Werbenetzwerk von Google ist das einzige echte Produkt. Alle anderen «Produkte» sind irrelevant. Sie sind nur Mittel, um Werbung rauszuhauen und Daten zu sammeln. Du bist das Produkt.

Wir wissen nicht, was aus Google wird, aber wenn wir oben auf die Aussagen von Marissa Mayer zurückkommen, die im zitierten Podcast zwei Mal fehlende oder ungenügende Regulierung für die schlechten Suchresultate mitverantwortlich macht, muss man zwangsläufig daran denken, dass gerade Tech-Firmen sich bisher erfolgreich Regulierung durch Regierungen widersetzt haben.

Vielleicht kommt was Gutes aus diesem langwierigen Prozess für Google heraus, und Marissa Mayer und viele andere Nutzer, auch wir, bekommen bessere Suchresultate. Oder wenigstens bekommen wir wieder mehr Kontrolle über unsere Daten. Wir sind auf jeden Fall gespannt.

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